Format: | historische Eventserie (6 Folgen) |
Produktion: | Zeitsprung Pictures GmbH |
Ko-Produktion: | BR, ARD Degeto, WDR, MDR |
Regie: | Hannu Salonen |
Dreharbeiten: | Deutschland, Tschechien; Sommer 2019, 66 Drehtage |
Ausstrahlung: | ARD Ende 2020 in Doppelfolgen |
München, 1900: Als Curt Prank (Mišel Matičević), ein Großbrauer aus Franken, sich in den Kopf setzt, auf das Oktoberfest zu expandieren, geraten die Machtverhältnisse in der Stadt ins Wanken. Als "Auswärtiger" darf Prank keine Schanklizenz auf dem Oktoberfest erwerben, geschweige denn sein fränkisches Bier ausschenken. Mit Bestechung und Erpressung ergaunert Prank sich fünf aneinander liegende, damals noch maximal 300 Gäste fassende Wirts-Parzellen auf dem Oktoberfest, um darauf ein größenwahnsinniges Riesen-Zelt für sechstausend Gäste zu errichten. Ein vermessener Plan, der die kleinen Münchner Traditionsbrauereien wie das Deibel Bräu der Familie Hoflinger (Francis Fulton-Smith, Martina Gedeck, Klaus Steinbacher, Markus Krojer) an den Rand der Existenz drängt und einen brutalen Überlebenskampf auslöst, an dessen Ende alle Seiten schmerzhafte Opfer erleiden (Quelle: ARD)
Bevor wir zu Ihrem aktuellen Projekt kommen: Sie arbeiten als Außenrequisiteur, Set Decorator und Prop Master. Wie grenzen sich die Aufgabenbereiche voneinander ab?
Johannes Wild: Da hat sich einiges getan. Ursprünglich war es sogar der Filmarchitekt, der Möbel, Lampen, Bilder und Stoffe zusammengestellt hat. Der Rest lag in der Verantwortung des Requisiteurs. Heute ist der Außenrequisiteur ein Allrounder. Neben der Bereitstellung der Ausstattung kümmert er sich de facto auch um alles andere: Allgemeine Logistik, Transport, Auspacken, Einrichten, Einpacken, Rückliefern. Bei großen Produktionen ist das die Aufgabe des Set Decorators mit seinem Team. Wenn es einen Set Decorator gibt, gibt es auch immer einen Prop Master, der sich ausschließlich um Spielrequisiten, um Zuspielungen auf technischen Geräten und im Prinzip um alles was der Schauspieler in die Hand nimmt, kümmert. Der Prop Master steht dabei in direktem Kontakt mit dem Szenenbildner, der Regie und den Schauspielern. Es liegt in seiner Verantwortung, dass alles funktioniert. Deshalb werden Hero Props bis zu dreimal vorbereitet, da mit deren Funktionstüchtigkeit der Dreh steht oder eben auch fällt.
Oder nehmen wir an, ein Fenster muss aufgebrochen werden. Dafür braucht man einerseits authentische Werkzeuge als Spielrequisiten und andererseits muss man ermöglichen, dass der gewünschte Effekt erreicht wird - mehrmals. Dafür muss man das Fenster einmal gesehen haben, die Mechanik vorbereiten, Anfertigungen organisieren, sich mit geeigneten Requisitenbauern, Malern, Künstlern, Patineuren kurzschließen. Das bedeutet durchaus auch Proben, die angesetzt und betreut werden. Alles was am Drehtag nicht funktioniert geht von der Drehzeit der Produktion ab und wird sehr schnell sehr teuer.
Mit der Einrichtung hat also der Prop Master nichts zu tun, obwohl es durchaus Berührungspunkte gibt. Dafür nochmal ein Beispiel: Eine Diebesbande bricht in eine Wohnung ein und durchsucht Schränke nach wertvoller Beute. In Absprache mit dem Set Decorator muss geklärt werden, wie viele Schränke, Schubladen etc. bespielt werden. Der Prop Master kümmert sich um die Füllung der Möbel mit jenen Sachen, die im Eifer des Gefechts herausgerissen werden und um Spezialanforderungen, z.B. wenn dabei etwas aus dem doppelten Boden einer Spieluhr entnommen werden soll. Hier kommt es auch zu einer engen Abstimmung mit dem Setrequisiteur. Auch als Prop Master darf man also durchaus in den Fundus. Zumal der gesamte Food/Beverage-Bereich auch in dessen Aufgabengebiet fällt. Vom Geschirr über das Essen, die gesamte zusammenhängende Aktion. Dazu zählen auch Food Preferences, wenn der Schauspieler beispielsweise eine Laktoseintoleranz oder bestimmte Allergien hat. Einem Veganer eine Schweinshaxe vorzusetzen wäre grenzwertig. Auch dafür findet man Lösungen, im Notfall zieht man einen Food Stylisten heran und lässt ihn zaubern.
Ist die Abgrenzung bei allen Projekten in Deutschland einheitlich klar definiert oder müssen die Aufgaben jeweils neu verhandelt werden?
Johannes Wild: Die Aufgabenverteilung ist bei Produktionen eines gewissen Umfangs und Professionalität völlig klar und sinnvoll. Es gibt keine Diskussionen.
„Oktoberfest 1900“ haben Sie als Prop Master betreut. Wie war der Ablauf?
Johannes Wild: Alles beginnt mit dem Lesen des Drehbuchs. Und das oft und genau. Das Drehbuch ist sozusagen das „Gesetz“. Bei historischen Produktionen wie „Oktoberfest 1900“ um die Jahrhundertwende gehört zur Vorbereitung, wie bei Szenenbild und Set Decoration, das Einarbeiten in die jeweilige Epoche und das Auffrischen der Stilkunde. Dann geht es an die Kleinigkeiten, das „zwischen den Zeilen“ lesen und das Erfassen von Zusammenhängen, die sich vielleicht erst zwanzig Szenen später ergeben. Im Moment wo etwas Bedeutung erhält, auch im Hintergrund, bei Schauspielern und Komparsen gleichermaßen, ist es mein Ding.
So fällt bei „Oktoberfest 1900“ in einem Bild auf dem Festplatz eine Menge in meinen Aufgabenbereich: Besucher die Eis essen, eine Maß trinken, am Schießstand mit Gewehren ihr Können testen oder Dosen werfen. In der Vorbereitung muss jedes Detail bis zu jedem einzelnen bedeutungsvollen Knopf bedacht werden, es muss klar sein was gebraucht wird und wie es zu kalkulieren ist. Danach kann man arbeiten. Fatal ist die Methode „trial and error“. Unterm Strich ist das für die Produktion sehr teuer und für alle Beteiligten mühsam.
Mit einigem Vorlauf werden die Key Props vorbereitet. Bei „Oktoberfest 1900“ war das unter anderem die Zunftlade der Bierbrauer, in welcher das bayerische Reinheitsgebot verwahrt wird. Das Original steht im Museum. Also geht es ans fotografieren, abmessen, Entwurf zeichnen, technische Anforderungen klären und eine Kalkulation für die Anfertigung erstellen. Wichtig sind zwei Punkte: Der Szenenbildner ist für die Optik der Spielrequisiten verantwortlich, das heißt es muss in sein Konzept passen. Zum anderen in mein Budget.
Auch wenn alles besprochen und die Szene aufgelöst ist, spontane Änderungen am Drehtag gibt es. Bereiten Sie abweichende Lösungen vor?
Johannes Wild: Ein Film entsteht am Set. Änderungen gehören zum Prozess und Ziel ist ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann. Die Lösung? Die beste Lösung ist die, dass man vorbereitet ist.
Wo ziehen Sie die Grenze zwischen guter Ausstattung und Budget-Kompromiss?
Johannes Wild: Bleiben wir bei der Zunftlade: Drei Hände sollen nacheinander jeweils einen Schlüssel in das jeweilige Schloss stecken und drehen, woraufhin sich die Truhe mit dem Reinheitsgebot öffnet. Es gibt die Lade im Original als Vorbild. Damit alles wie beschrieben funktioniert, fertigt man eine Truhe nach dem Vorbild an, das ja im Museum unerreichbar ist.
Der Kompromiss ist folgender: Es lässt sich eine schöne alte Truhe finden, unter Umständen kann man sie etwas modifizieren, wobei man höchstwahrscheinlich bei den drei funktionierenden Schlössern schon Abstriche machen muss und behaupten es sei diese Zunftlade. Es ist aber nicht diese Lade und das Bild kann in dieser Form nicht realisiert werden.
Muss man einen gewissen Anspruch durchsetzen?
Johannes Wild: Mein Anspruch ist: Ich mache es perfekt. Ich stelle etwas bereit, womit man arbeiten kann. Bei einem Schriftinsert wie hier um 1900 muss alles stimmen: Das Papier, die Farbe, die Tinte, die Feder und schließlich auch der Text. Um historische Genauigkeit führt kein Weg herum, vor der Erfindung und Verbreitung des Feuerzeugs, gab es kein Feuerzeug.
Und natürlich ist das nicht das Einzige, das zu bedenken ist. Braucht man ein historisches Fahrrad als Spielrequisit darf es beispielsweise kein Unikat sein zu dem es keine Ersatzteile mehr gibt. Wenn es angedreht ist und etwas kaputt geht, muss man sich mit einem von vorneherein vermeidbarem Problem auf Zeitkosten aller auseinandersetzen. Mein Anspruch ist dafür zu sorgen, dass alles funktioniert und Unwägbarkeiten, wie sie bei einem Dreh mit Tieren oder alten Autos immer auftreten können, möglichst gering zu halten. Das heißt auch die Manpower vor Ort zu haben.
Letztlich muss meine Arbeit nicht nur gut aussehen, sondern auch etwas können. Bei Anfertigungen muss der Schauspieler damit spielen können. Wenn man da schon anfängt einzuschränken – bitte nicht in diese Achse drehen, den Schlüssel bitte nur in einem gewissen Winkel nutzen, da sonst die Mechanik nicht mehr funktioniert oder bitte nicht runterfallen lassen, das gibt es nur einmal – das muss schief gehen. Im Endeffekt hat man nicht geliefert.
Zusammengefasst möchte ich dazu beitragen, dass eine Produktion läuft, die Schauspieler sich wohl fühlen, der Regisseur arbeiten und inszenieren kann und dazu ein schönes Handwerk abliefern.
Ein Riesenzelt für 6000 Personen und die Erschaffung einer kompletten Brauerei waren Mammutprojekte für die Ausstattung. Was war für Sie als Prop Master besonders intensiv in der Vorbereitung?
Johannes Wild: Ohne vorab schon zu viel verraten zu wollen - das war absolut das Bereitstellen einer funktionierenden Dampfmaschine mit der Technik und dem Look des 19. Jahrhunderts. Besonders intensiv war die Vorbereitung durch eine enge Abstimmung mit den Bereichen Stunts (Personenbeteiligung) und Special Effects (Action!). Dazu gehört eine gemeinsame Probe, die auf Video festgehalten wird und bei der alle Möglichkeiten und Erfordernisse gemeinsam erarbeitet und eintretende Eventualitäten bedacht werden. Dann machen sich alle an die Feinarbeit damit das Zusammenspiel am Drehtag einwandfrei funktioniert. In meiner Position habe ich den Umgang mit dem Gerät und den technischen Zustand geklärt, die Vorlaufzeit eingegrenzt bis die Maschine heiß und einsatzbereit ist, den Transport mit Zeit und Kosten kalkuliert und so weiter. Funktion ist aber nur das Eine. Wie gesagt muss es etwas können UND gut aussehen, denn natürlich geht es bei uns auch um die Optik. Die Dampfmaschine war perfekt instandgehalten. Die gesamte Szene sollte eher schmuddelig sein. Mit viel Feingefühl spricht man die reversible Umgestaltung mit dem Eigentümer ab und zieht einen Patineur seines Vertrauens heran um die Maschine dem Fabrikstandort und den auf Dauer ausgestoßenen Rußpartikeln entsprechend zu gestalten. Vorbereitung und Rückbau kosten auch hier wieder Zeit und Budget, was beides einzuplanen ist. Als Prop Master investiert man viel Zeit in diese Sachen.
Was bedeutet der Fundus für Sie als Prop Master und für das Department?
Johannes Wild: Die FTA ist ein magischer Ort, weil man oft Schätze entdeckt, die man gar nicht vermuten würde. Immer wieder findet man in den untersten Regalen und hintersten Ecken einmalige Dinge. Das weckt den Jagdinstinkt. Und bereitet Freude. Der Fundus ist die Basis für die Ausstattung. Als Prop Master habe ich vorwiegend mit technischen Anfertigungen und Verbrauchsrequisiten zu tun, wenn zum Beispiel etwas zerstört werden soll in mehrfacher Ausführung. Tatsächlich war ich aber bisher für jede Produktion im Fundus.
In Ihrer Funktion tragen Sie eine große Verantwortung und haben gleichzeitig die Möglichkeit, Lösungen für immer neue Anforderungen zu finden. Lernt man jemals aus?
Johannes Wild: Das ist der große Reiz an diesem Job. Für „Ballon“ (2018, Regie: Michael Bully Herbig) haben wir beispielsweise einen alten Militärhubschrauber aus der DDR „umpatiniert“. Der einzige, den es in ganz Europa noch gibt, befindet sich in Privatbesitz. Man muss schon wissen von was man spricht, wenn man den Eigentümer überzeugen möchte, den silbernen Hubschrauber für den Film grün zu gestalten. Man braucht eine Farbe, die man vom Lack problemlos wieder herunterbekommt und mit der man auch Fliegen kann. Da wirken unglaubliche Kräfte in der Luft. Folie könnte sich während des Flugs abziehen, die falsche Farbe könnte der Wind einfach wieder abtragen. Da kommen professionellste Hightechmittel für die Umgestaltung zum Einsatz. Und damit noch nicht genug: Innen muss den Sitzen der Zahn der Zeit gezogen und andersherum müssen moderne Navigationsgeräte eliminiert werden. Und zum Schluss kommt alles wieder auf Anfang. Für einen Hubschrauber mit 25 Metern Spannweite muss dafür auch jeweils ein Hangar für zwei Wochen angemietet werden.
Das A und O ist, dass man weiß, wie man Aufgaben löst. Dabei macht man das nicht alleine, sondern als Koordinator. Man stellt ein Team aus fähigen und zu gleichen Teilen verlässlichen Spezialisten zusammen, teilt dieses auf und behält das Budget im Auge. Dafür sollte man ein großes Know How im Kopf haben und ein sehr, sehr dickes Adressbuch in der Hinterhand. In diesen Job muss man langsam reinwachsen. Das bedeutet für den Anfang lernen, zuschauen, weiter lernen und erst einmal die Zusammenhänge erfassen, die am Set miteinander wirken. Und dann hat man mit viel Erfahrung den schönsten Job der Welt.
Johannes Wild ist nach einer Berufsausbildung zum Konditor erstmals als Produktionsfahrer zum Film gekommen. In der großen Münchner Werbefilmfirma INTERTEAM bildete er sich über einen Zeitraum von sieben Jahren im Studiobetrieb weiter und war anschließend als Außenrequisiteur bei Film- und Fernsehproduktionen tätig. Neben einem kurzen Abstecher zur Bayerischen Staatsoper als Interimsleiter der Ausstattung ist er Set Decorator und Prop Master mit einer beeindruckenden Filmografie und einem Schwerpunkt auf den Bereichen Food und historische Produktionen.
aktuell: Der Pass (TV-Serie, 2. Staffel, W&B Television GmbH & Co. KG)
Oktoberfest 1900 / (2019, TV-Serie, Zeitsprung Pictures GmbH)
Tatort - Die ewige Welle / (2018, TV-Film, W&B Television GmbH & Co. KG)
Ballon / (2017, Kinospielfilm, Herbx Film- und Fernsehproduktion GmbH)
Tschiller: Off Duty / (2015, Kinospielfilm, die film GmbH)
Colonia Dignidad - Es gibt kein zurück / (2014, Kinospielfilm, Majestic Filmproduktion GmbH)
Buddy / (2013, Kinospielfilm, Herbx Film- und Fernsehproduktion GmbH)
3096 Tage / (2012, Kinospielfilm, Constantin Film)
Obendrüber da schneit es / (2011, TV-Film, Hager Moss Film GmbH)
Wickie auf großer Fahrt / (2010, Kinospielfilm, Rat Pack Filmproduktion GmbH)
Powder Girl / (2010, Kinospielfilm, Cross Day Production)
Die Päpstin / (2008, Kinospielfilm, Constantin Film)
Der Baader Meinhof Komplex / (2007, Kinospielfilm, Constantin Film)
Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders / (Assistant Set Decorator Studio München, 2005, Kinospielfilm, Constantin Film)
Der Untergang / (2003, Kinospielfilm, Constantin Film)
Resident Evil / (Set Dresser Lead Man, 2001, Kinospielfilm, Constantin Film)
Vera Brühne / (2000, TV-Mehrteiler, Constantin Film)
Krambambuli / (1997, TV-Film, Satel Film GmbH)
Go Trabi Go 2 / (1992, Kinospielfilm, Bavaria Film GmbH)