Rettung der Dinge
Format: | Kino-Dokumentarfilm |
Produktion: | Bramkamp Weirich GbR |
Koproduktion: | zdf-arte |
Regie: | Susanne Weirich, Robert Bramkamp |
Dreharbeiten: | Hamburg, Berlin und Babelsberg |
Inhalt
Schon neun Drehtage lang haben die Regisseur:innen Susanne Weirich und Robert Bramkamp mit ihrem Kameramann Markus Koob den Fundus FTA PROPS in Hamburg erforscht. Es geht um Dinge, die erzählen können – also kleine und große Requisiten und wie die Mitarbeiter:innen des Fundus und der Filmbranche mit ihnen arbeiten.
Der Kino-Dokumentarfilm entsteht in Zusammenarbeit mit zdf-arte, Redaktion Doris Hepp und wird von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein und dem Medienboard Berlin-Brandenburg gefördert – Fertigstellung Juni 2022.
Spannender geht es kaum: „Die Rettung der Dinge“ beleuchtet aus Fundus- und Ausstattungssicht das elementarste Handwerkszeug unserer „Zunft“. Wie kam es zu der Idee diesen Inhalt filmisch zu dokumentieren?
Weirich/Bramkamp: Die Fundusgründerin Susanne Hein erzählte uns vor einiger Zeit, dass Dinge, die aussortiert werden sollen, „einen eigenen Willen“ entwickeln. Sie sorgen etwa dafür, dass sie plötzlich häufig ausgeliehen werden, um im Bestand des Fundus bleiben zu können. Das hat uns neugierig gemacht, zumal wir über die „Biografie des Dings“ schon 1992 in dem Kurzfilm „Beckerbillett“ gearbeitet haben.
Welche Art von Requisiten oder „Dingen“ stehen im Fokus?
Weirich/Bramkamp: Eigentlich alle Dinge, mit denen vor Ort gearbeitet wird, was wir ja dokumentieren. Das waren bei FTA PROPS beispielsweise Food Dummies, Koffer oder Blumen, im Fundus Studio Babelsberg Feuerroste, Fahnen und Gemälde, sowie im Fundus Delikatessen Glaskaraffen, Lampen oder ein multipel bewegliches Klappsofa. In allen Fundi haben uns Telefone und afrikanische Objekte jeglicher Provenienz interessiert. Wichtig ist auch die Zusammenstellung, die wir vorfinden mit ihrer jeweiligen Ordnung und die Verwendung der Requisiten in Filmen, die wir zitieren.
War Ihnen als Regisseur:innen bewusst, dass es Fundi gibt und wie in diesem ganz eigenen Kosmos gearbeitet wird?
Weirich/Bramkamp: Im Zuge der eigenen Recherche hat uns überrascht, wie groß und vielfältig die Fundi sind. Zuvor waren unsere Ausstatter:innen in den Fundi unterwegs, aber wir selbst hatten keine genaue Vorstellung von der Situation vor Ort.
Was hat Sie bei der Vielfältigkeit besonders beeindruckt?
Weirich/Bramkamp: Tatsächlich ist die Logik und Herangehensweise in den Fundi sehr unterschiedlich und wir haben uns während der Vorbereitung des Films dann für drei Fundi entschieden, die sich sehr gut ergänzen – hinsichtlich des Sortiments, der Spezialisierung und auch der Protagonist:innen. Jeder Fundus hat eine ganz eigene Atmosphäre.
Hat das Eintauchen in die Welt der Dinge Ihren Blick auf Requisiten und die Ausstattung Ihrer eigenen (und/oder anderer) Filme verändert?
Weirich/Bramkamp: Nachdem wir eine Weile in den Fundi gedreht haben und die parallel im Schneideraum entstehende Timeline schon fast 2 Stunden lang war, haben wir verstanden, was uns so gut gefiel: In den Fundi sind alle Dinge vorhanden, die nötig sind, um die Welt da draußen auszustatten. In allen drei Fundi gibt es zudem durch den Umgang mit den Dingen eine tragende Ruhe und Gelassenheit, die wir draußen, in der „ausgestatteten Welt“ – wie wir sie jetzt nennen – schmerzlich vermissen. So erleben wir das Innere der Fundi immer mehr als die eigentliche Realität. Nachdem in den ausgestatteten Filmen Drama, Wut oder Psychopathie um die Dinge herumtobten, erholen sie sich von dieser unaufhörlichen Fantasy, sobald sie wieder aufgenommen werden in die wirkliche Welt des Fundus. Es ist spürbar, dass diese Arbeit wichtig ist, gern gemacht wird und ein Geheimnis hat.
Viele haben ein „Lieblingsstück“ im Fundus. Welches Objekt hat es Ihnen persönlich angetan?
Weirich/Bramkamp: Die Kopie eines Ölgemäldes mit dem Portrait einer afrikanischen Frau aus der Renaissance, die eine goldene „Türmchenuhr“ aus deutscher Produktion in den Händen hält und präsentiert. Die Uhr haben wir in allen Fundi bisher vergeblich gesucht. Für Tipps wären wir dankbar.
Wenn Sie einen Fundus hätten entwerfen können, wie würde er aussehen?
Weirich/Bramkamp: In jedem Fall wäre er analog und er würde Eigenschaften der drei Fundi kombinieren. Unser Idealfundus entsteht natürlich als Film.
Spielt das Thema Nachhaltigkeit in der Dokumentation eine Rolle?
Weirich/Bramkamp: Zum einen geben sich die Fundi da selbst Mühe, zum Beispiel hinsichtlich der Verpackung. Zweitens sind sie als Wiederverwerter der Dinge per se die Alternative zu Vertreter:innen einer Wegwerf-Haltung. Drittens ist unser Team ungewöhnlich klein und das Budget schließt Flüge aus – das hilft schon mal.
Hat die „Rettung der Dinge“ eine Zukunft in unserer Gesellschaft und in unserer Branche?
Weirich/Bramkamp: Für analoge Dinge sieht es leider nicht so gut aus. Sie werden durch die „Digitalisierung“ im Netz zwar sichtbarer, aber das digitale Bild – inklusive Bearbeitung und 3D Rendering – entwertet auch das analoge Objekt. Hinzu kommt, dass Filme fast ausschließlich nach Drehbüchern gedreht werden. Wenn die Branche weniger von einem Text und mehr von Dingen, Räumen und Situationen ausgehen würde, könnte das zu positiven Überraschungen führen.
Robert Bramkamp
Robert Bramkamp (*1961) dreht seit 35 Jahren erzählende Filme, in denen sich Fakten und Fiktionen unkonventionell ergänzen, darunter Der Himmel der Helden (1988), Die Eroberung der Mitte (1995) oder Prüfstand 7 (2000). Von 1998 bis 2005 lehrte er an der HFF ‚Konrad Wolf’ Spielfilmregie. Seit April 2008 ist er Professor für Film an der HfbK-Hamburg. Seit 1988 kooperiert er mit der bildenden Künstlerin Susanne Weirich, mit der er von 2009 bis 2013 den SciFi-Kinofilm Art Girls realisierte. Alle Filme sind bei sooner oder realeyz/amazon verfügbar. (www.bramkamp.info)
Susanne Weirich
Susanne Weirich (*1962) ist bildende Künstlerin. In ihren erzählerischen Arbeiten kann seit 35 Jahren alles zum Material werden. Die prototypischen Realisierungen von Installationen, Objekten und medialen Inszenierungen zeigen diverse künstlerische Strategien, wie etwa Verfahren des Fakes. Seit 2011 ist sie Kunst-Professorin an der Universität Duisburg-Essen und auch in ihren Veranstaltungen am „Eigensinn der Dinge“ interessiert. Seit 1988 kooperiert sie mit dem Filmemacher Robert Bramkamp. Eine Werkschau war 2013 im Kinofilm Art Girls zu sehen, den beide gemeinsam produzierten. Internationale Ausstellungen ihrer Arbeiten zuletzt in Bolivien und China. (www.susanneweirich.com)
Produktionen (Auswahl):
Film: Art Girls (2013), Die Eroberung der Mitte (1995), Beckerbillett (1992) (sooner.com)
Kunstwerke mit Dingen/Objekten: Chinese Boxes (2014) , La Riffa (2017), All Work No Play (1995/96), Die Sammlung des Parrhasios (1992) (www.susanneweirich.com) und auf vimeo.