"Fack Ju Göhte 3": Interview mit Szenenbildnerin Eva Maria Stiebler


Die Dreharbeiten zu „Fack Ju Göhte 3“ (Regie: Bora Dagtekin, Constantin Film) neigen sich dem Ende zu. Was war eine besondere Herausforderung? 

 

Stiebler: Im Falle von „Fack ju Göhte 3“ war die größte Herausforderung, den Film noch während den Dreharbeiten weiter vorzubereiten. Das Drehbuch wurde kurz vorher noch einmal radikal geändert - das hat eine extreme Flexibilität des ganzen supertollen Art Departments gefordert. Wir hatten bei Drehbeginn noch nicht alle Motive - eigentlich bis Drehende nicht. Die Entwurfsarbeit hat spontan stattgefunden und die Reaktionszeit war sehr kurz. 

Vielen Dank nochmal an alle meine Leute die das mit einer unglaublichen Leidenschaft und Stärke mit mir durchgestanden haben!

Redaktionsraum Schülerzeitung und Schülerradio (vorher)
"Fack Ju Göhte 3" © Eva Maria Stiebler
Entwurfszeichnungen (Concept Art: Axel Eichhorst)

Der Film ist zeitgenössisch und Sie haben an „Originalschauplätzen“ wie einer tatsächlich existierenden Schule gedreht. Da ist einiges an Grundausstattung greifbar. Was für eine Rolle spielt der Fundus um ihr Szenenbild Wirklichkeit werden zu lassen?

 

Stiebler: Die Schulen im „normalen Leben“ dürfen natürlich aus Brandschutz- und Sicherheitstechnischen Gründen nur sehr wenige und ausgewählte Möbel und Dekorationen erlauben – für uns war es aber wichtig, dass die Schule wie ein buntes, lebendiges und etwas heruntergekommenes Chaotenhaus erscheint und dafür ist der Fundus total wichtig. Wir benötigen die Requisiten um Lebendigkeit und Charakter zu erzählen, auch um unter Anderem ein Farbkonzept zu realisieren. Auch verwandeln wir oft vorhandene Räume wie beispielsweise den Kunstsaal in der Schule in einen total vollgestopften Redaktionsraum der Schülerzeitung. Dafür brauchen wir alte Möbel, Leuchten und Requisiten und das wäre ohne die ganzen Schätze aus dem Fundus nur bedingt möglich. 

Der "Fickfrosch"
Der Fuchs in Aktion

Wir fühlen uns geehrt und haben uns immer köstlich darüber amüsiert den „Fickfrosch“ aus „Fack Ju Göhte“ in unseren Regalen zu beheimaten. Haben Sie ein Lieblingsrequisit?


Stiebler: Seit Neustem - das ist ein bisschen morbide - einen ausgestopften Fuchs der ein Tellerchen hält. Wie ein Butler. Den Fuchs haben wir in einen Büroraum gestellt - bei "Fack Ju Göhte 3" - mehr darf ich nicht verraten.

Was hat Sie inspiriert? Sind auch eigene prägende Erinnerungen an die Schulzeit mit eingeflossen oder gibt es etwas ganz und gar Typisches für die Schule in der „Jetztzeit“?

 

Stiebler: Abgesehen davon, dass wirklich viel im ersten Teil schon festgelegt war, den ja Matthias Müsse mit seinem Team gestaltet hatte, habe ich mich schon immer wohler in gelebten, lebendigen Räumen gefühlt und so bauen wir uns immer so etwas wie eine kleine Traumumgebung auf, in der es ein bisschen weniger streng zugeht als im wahren Leben. 

Was passiert wenn sie ein Drehbuch gelesen haben? Wie entwerfen Sie ihr Szenenbild?

Stiebler: Nach dem Lesen eines Drehbuchs hat man natürlich schon eine relativ genaue Vorstellung wie der Film aussehen soll, wie beim Lesen eines guten Romans. Konkretisiert wird diese dann meistens in einem Gespräch mit dem Regisseur/in, in dem man herausfindet, ob sich die  Vorstellungen auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Im besten Fall inspiriert man sich da noch einmal gegenseitig. 

Dann gehe ich im Idealfall noch vor Arbeitsbeginn des Art Departments los und suche Fotos, Beschreibungen etc. in Büchereien, im Internet und über alle möglichen Quellen, die meine Vorstellung in Form eines Moodboards verdeutlichen sollen. Das ist wichtig für die Kommunikation mit dem gesamten Ausstattungsteam, dem Location Scout, den Produzenten und dem Regisseur.

Meistens fertigen wir erst Skizzen an, wenn die Motive für die jeweiligen Szenen gefunden sind. 

Etwas "realitätsferner": Das Lieblingsset von Eva Maria Stiebler aus "Fack Ju Göhte 2".
Entwurfszeichnung (Concept Art: Axel Eichhorst)
Am Set Mc Donalds in Thailand, "Fack Ju Göhte 2".
© Eva Maria Stiebler

Nach „Fack Ju Göhte 2“ und „Willkommen bei den Hartmanns“ haben Sie nicht unwesentlich zu dem Look neuer erfolgreicher Komödien beigetragen. Was ist essentiell für das Szenenbild dieser Gattung? 

 

Stiebler: Wenn es wirklich gut läuft, schafft man eine tolle Mischung aus Farben, Details und einer Portion Ironie – und natürlich darf man bei der Komödie auch übertreiben. Sozusagen ordentlich auf die Kacke hauen und keiner beschwert sich, dass das ja gar nicht realistisch ist.

Konzeptzeichnung Hexenhaus
(Concept Art: Waleska Leifeld)
"Die Kleine Hexe", 2016, Regie: Michael Schärrer
Hexenhausbauplatz leer / Baudokumentation

Sie haben auch das Szenenbild für viele Kinder- und Jugendfilme entworfen. Geht man da automatisch anders vor?

 

Stiebler: Ja. Natürlich sind da der Phantasie keine Grenzen gesetzt, aber das Drehbuch gibt meist schon ein Konzept vor. Welche Wirkung will man erzielen, in welchem Milieu spielt der Film, geht es um ein Märchen oder um eine Geschichte in der Jetztzeit. Hält man sich an historische Vorgaben oder befreit man sich total. 

Da habe ich allerdings keine Präferenzen, es hat alles seinen Reiz. "Historisch korrekt" ist ja auch nur ein Versuch, alles so  gut wie möglich zu recherchieren um dann eine Anmutung zu erreichen, die man mit den jeweiligen zur Verfügung stehenden Mitteln wie Zeit (meist drei Monate vorher), Geld und Mitarbeitern so genau wie möglich herzustellen versucht. 

 

Ein Film in dem wir uns bewusst nur grob an historische Vorgaben gehalten haben, ist „Die kleine Hexe“, das hat schon sehr großen Spaß gemacht. Wir haben an ein Haus  gedacht, das eventuell schon von einer Vorgängerhexe bewohnt wurde, die noch viel älter war als die kleine Hexe mit ihren „nur“ 127 Jahren und in dem dementsprechend Requisiten und Einrichtungsgegenstände aus allen Epochen vorhanden sind, sprich vom mittelalterlichem Kessel bis zu einem einigermaßen modernen Klavier. Magie macht ja alles möglich.

Konzeptzeichnung Hexenhaus innen
(Concept Art: Waleska Leifeld)
"Die Kleine Hexe", 2016, Regie: Michael Schärrer

Möchten Sie auch einmal einen düsteren Film in Szene setzen?

 

Stiebler: Sehr sehr gerne – ich beneide immer meine Kollegen, die von den Badewannen voller Blut erzählen, die sie beim letzten Zombiefilm verbraucht haben...


Vita Eva Maria Stiebler

 

Eva Maria Stiebler, Jahrgang 1975, studierte Innenarchitektur in Rosenheim und Szenografie an der HFF München. Sie ist sowohl als Set Decorator als auch als Szenenbildnerin vor allem bei großen Kinoproduktionen tätig. 



Szenenbild (Auswahl)

"FACK JU GÖHTE 3" 2017, SPIELFILM/KINO, REGIE: BORA DAGTEKIN

„DIE KLEINE HEXE“ 2016, SPIELFILM/KINO, REGIE: MICHAEL SCHAERRER

„WILLKOMMEN BEI DEN HARTMANNS“ 2016, SPIELFILM/KINO, REGIE: SIMON VERHOEVEN

„FACK JU GÖHTE 2“ 2015, SPIELFILM/KINO, REGIE: BORA DAGTEKIN

„BECKS LETZTER SOMMER“ 2014, SPIELFILM/KINO, REGIE: FRIEDER WITTICH

„LENALOVE“ 2013, SPIELFILM/KINO, REGIE: FLORIAN GAAG

„DAS KLEINE GESPENST“ 2012, SPIELFILM/KINO, REGIE: ALAIN GSPONER

„WAS MACHEN FRAUEN MORGENS UM HALB VIER?“ 2011, SPIELFILM/KINO, REGIE: MATTHIAS KIEFERSAUER

„WICKIE AUF GROßER FAHRT“ 2010, SPIELFILM/KINO, REGIE: CHRISTIAN DITTER

„VORSTADTKROKODILE II“ 2009, SPIELFILM/KINO, REGIE: CHRISTIAN DITTER

„VORSTADTKROKODILE“ 2008, SPIELFILM/KINO, REGIE: CHRISTIAN DITTER

„FRANZÖSISCH FÜR ANFÄNGER“ 2005, SPIELFILM/KINO, REGIE: CHRISTIAN DITTER

„DAS VERLANGEN“ 2001, SPIELFILM/KINO, REGIE: IAIN DILTHEY

 

Set Decoration (Auswahl)

„TIMM THALER“ 2015, SPIELFILM/KINO, SZENENBILD: ULI HANISCH, REGIE: ANDREAS DRESEN

„HEIDI“ 2014, SPIELFILM/KINO, SZENENBILD: CHRISTIAN GOLDBECK, REGIE: ALAIN GSPONER

„ICH & KAMINSKI“ 2013, SPIELFILM/KINO, SZENENBILD: CHRISTIAN GOLDBECK, REGIE: WOLFGANG BECKER

„RUSSENDISKO“ 2011, SPIELFILM/KINO, SZENENBILD: CHRISTIAN GOLDBECK, REGIE: OLIVER ZIEGENBALG

„LICHTER“ 2002, SPIELFILM/KINO, SZENENBILD: CHRISTIAN GOLDBECK, REGIE: HANS CHRISTIAN SCHMID


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